„Du, was ist eigentlich genau der Unterschied zwischen Gras, Marihuana und Haschisch?“, fragte mich Marina eines Abends, als wir miteinander am Küchentisch gemütlich plauderten.
Ein bisschen verblüfft suchte ich noch nach einer Antwort, doch Marina fuhr schon fort: „Und dann, das regt mich total auf, finden wir auf dem Schulhof immer wieder leere Whisky-Flaschen. Kürzlich ist sogar die Polizei eingefahren und hat drei Kollegen von uns verhaftet. Wegen Drogen!
Das gibt uns ein mega-schlechtes Gefühl. Und im Klassenlager haben die Buben mit Mehl oder Zucker immer so Linien gezogen und gesagt, das sei Kokain. Was ist denn das genau?
Warum brauchen die Menschen überhaupt Drogen?“
Echt verrückt, dachte ich, mit welchen Fragen sich die Jugendlichen heute herumschlagen müssen! Da hatten wir es in meiner Kindheit noch verhältnismässig einfach: Das Äusserste war, dass die grossen Jungs von einem Busch kleine Stecken abschnitten und nachher diese „Nielen“, wie die grausigen Dinger hiessen, unter viel Gehuste tapfer rauchten.
Später dann, als ich ungefähr in Marinas Alter war, tauchten auf einmal die ersten Berichte über langhaarige Hippies auf! Blumenkinder, welche die freie Liebe lebten und zu neuen Musikklängen Marihuana rauchten! Wer wusste damals schon, was das eigentlich genau für eine Pflanze war …
Kurz darauf trat das LSD auf den Plan. Diese chemische Entdeckung bedeutete eine absolute Neuheit für alle! Man könne damit auf einen Trip gehen, hiess es. Und manche kämen davon nicht unbeschadet oder gar nicht mehr zurück. Von da an ging es Schlag auf Schlag! Erst wurden Kokain und Heroin in grossem Ausmass Mode, dann folgten Extasy, Amphetamine, Crack, Sixtasy (ein Cocktail mit allem Möglichen), ganz zu schweigen von den „rape-drugs“ undundund … Immer stärker, immer mehr scheint die Devise zu sein, und immer jünger werden die Konsumenten. Himmel, man kommt ja fast nicht mehr mit, nur schon um sich zu informieren!
Wir Eltern befinden uns in der heutigen Zeit ständig auf dem Prüfstand, ob wir unsere Kids über die Gefahrenzeit der Adoleszenz „rüberbringen“. Wenn sie nicht dem Kampf- oder Komasaufen verfallen, keine Pillen schmeissen und einfach irgendwie heil über die Runden kommen, dann können wir aufatmen und sind gerade nochmals davongekommen.
Marina schaute mich erwartungsvoll an. Da ich ihre Patin bin und zudem mal eine Geschichte über verschiedene Gewürzpflanzen verfasst hatte, konnte ich natürlich nicht gut kneifen und so sagte ich: „Gib mir mal einen Bleistift“, nahm eine Papierserviette und zeichnete zwei Pflanzen darauf. „Also, Marihuana, Gras und Haschisch kommen alle von der gleichen Pflanze, wobei das Besondere daran ist, dass es Männchen und Weibchen gibt. Die einen wachsen als hohe Stauden und haben …“
Ja, wie ging das jetzt wieder genau? Da ich mit meinen botanischen Kenntnissen offenbar nicht mehr ganz auf der Höhe und es schon reichlich spät war, versprach ich Marina, eine gute Abbildung zu suchen und ihr dann eine ausführliche Antwort zu schicken.
Natürlich dachte ich damals nicht, dass mir meine Drogen-„Aufklärungs-Lektion“
so schwer fallen würde. Aber je länger ich in verschiedenen Büchern stöberte, umso mehr wurde mir bewusst, wie weitläufig und komplex das Thema ist! So hatte ich etwa gar nicht gewusst, dass früher einmal Tabak und Kaffee zu den verbotenen Sustanzen gehörten und dass Drogenschmuggel und Fälschung schon immer weit verbreitet gewesen waren:
Die kostbare Gewürzdroge Safran zum Beispiel wurde so häufig gestreckt, dass eine eigene Safran-Polizei eingerichtet werden musste.
Zwar war mir bekannt, dass die Indianer in den Anden Kokablätter kauten, um die Strapazen der langen Gebirgsmärsche auszuhalten, aber nicht, dass sie die Pflanze als heilige Verbindung zur Erdmutter Patchamama betrachteten. Ganz besonders erstaunte mich, dass die vielgeschmähte Hanfpflanze als schnell nachwachsender Rohstoff nicht nur für die Herstellung von Textilien, Isolationsmaterial und Heilmitteln, sondern sogar für Benzin und verschiedenes mehr taugt!
Auf meinem Schreibtisch stapelten sich immer mehr Bücher, Notizen und Artikel, und ich selber wurde immer ratloser. Wie viele Dramen hatte ich jetzt bereits in meinem Bekanntenkreis miterleben müssen, weil ein Jugendlicher durch die Maschen gefallen und abgestürzt war. Wie verlogen ist doch die Welt, wo vorne auf der Bildfläche die Räuber- und Gendarm-Nummer abgezogen wird und hintenherum mit dem Drogenhandel Milliardengewinne erzielt werden.
Wie lächerlich, da stehen wir kurz vor einer Klima- oder sonstigen Katastrophe und wissen nichts Besseres, als im weltweiten Drogenkrieg immer mehr aufzurüsten! Wir verschleissen Kraft und Energie, dabei hätten wir so viele dringende Probleme zu lösen. Doch der Raubbau an Mutter Natur geht in flottem Tempo weiter, und wenn sich die Menschen mit dem Missbrauch von Drogen schaden, dann ist das im Grund nichts anderes als Raubbau an seiner eigenen Natur.
Apropos Natur – plötzlich kam mir wieder meine Gewürzgeschichte in den Sinn. In dieser streiten sich nämlich eines Nachts in einem Gewürzgestell Frau Zwiebel, Kuno Knoblauch, Pepe Pfeffer und viele andere darum, wer wohl am Teuersten sei oder am Heilkräftigsten oder am besten würzen könne. Tja, da hätte der Hanf auch einiges zu sagen gehabt! Zum Beispiel, dass er heute an vielen Orten verboten und deshalb zu hohen Preisen geschmuggelt wird, es aber auch schon Zeiten gab, in denen die Regierung den Bauern vorschrieb, dass sie möglichst viel Hanf anpflanzen mussten!
Ja, genau, das war’s: Marina sollte eine Geschichte bekommen, in der die Pflanzen für einmal selber zu Wort kommen würden! Dass dann diese ein völliges Eigenleben entwickeln und einfach einen Pflanzengipfel einzuberufen würden, das war allerdings nicht geplant …
Und so ist die Geschichte immer länger und Marina mittlerweile schon erwachsen geworden, aber diese Fragen gehen ja sowohl Jugendliche wie auch Erwachsene an, und so hoffe ich, dass ihr die Print- und Hörausgabe der Story auch jetzt noch viel Spass machen und einige ihrer Fragen beantworten wird.