Gelebte Sexualerziehung durch Zärtlichkeit, Sinnesnahrung, Körpergefühl, Bewegung
Aus der Arbeit in der Projektgruppe zur Einführung der Sexualerziehung im Kanton Zürich entstand der Auftrag, für die Pro Juventute ein Elternbuch zu verfassen. Ich wollte darin unbedingt die aus Indien stammende Babymassage, die der französische Arzt Frédérick Leboyer damals bekannt gemacht hatte, prominent platzieren.
Während einer Indienreise hatte ich nämlich selber beobachten können, wie die Mütter ihre Kleinen wuschen und auf eine sehr eindrückliche, einfache Weise massierten. Dass dies das Wachstum stimulieren und eine gute Beziehung zum eigenen Körper fördern würde, davon war ich völlig überzeugt.
Es sollte also nicht nur ein theoretisches Buch sein, sondern auch ermutigen, Berührungen – das sogenannte Vitamin Z ( wie Zärtlichkeit) – bewusst im Alltag zu pflegen. Damit auch grössere Kinder noch in den Genuss von Streicheleinheiten kommen können, entwickelte ich im Kapitel «Chribele und Chräbele» aus den altbekannten Fingerversen längere Massagegeschichten und Streichelspiele, wie zum Beispiel das «Gärtnerspiel». Um die Aktionen der «Gartenwerkzeuge» fotografieren zu können, sprühten wir Rasierschaum auf den Rücken des Kindes, was ein grosser Spass war.
Ja, damals, anfangs der Achtzigerjahre war nach der Hippiewelle Natürlichkeit Trumpf. Kinder sollten mit all ihren Sinnen die Umwelt erkunden. Diese Unbeschwertheit ist einer grundsätzlichen Vorsicht gewichen, nachdem bekannt geworden ist, wie weit die Kreise um Pädophile reichen und wie viel Missbrauch in Familien geschehen kann. Heutzutage würde es vermutlich kein Verlag mehr wagen, dieses Buch zu publizieren, meinte kürzlich ein Lehrbeauftragter zu mir.
Für viele ist es deshalb eine Gratwanderung geworden, wie weit Körperkontakt gehen darf. Wenn Kinder jedoch die Erfahrung machen, dass sie ernst genommen werden und ein Nein gehört wird, dann sind die Grenzen sehr einfach zu spüren.
Wer Lust hat, sich zu sinnlichen Spielereien inspirieren zu lassen, kann das Buch noch bei der Autorin bestellen.
E-Mail: marcella.barth(at)gmx.ch
Für mich selber brachte die Arbeit an diesem Buch eine ganz neue Perspektive: Ich lernte die Fotografin Ursula Markus kennen. Ihre sensiblen und originellen Aufnahmen machten den Text auf unglaubliche Weise lebendig. Und das Beste daran war, dass wir darauf noch zwei weitere Werke miteinander verfassen konnten.
Zärtliche Eltern
Gelebte Sexualerziehung durch Zärtlichkeit, Sinnesnahrung, Körpergefühl, Bewegung
mit Fotos von Ursula Markus
Verlag Pro juventute, 1984